Alfred Landecker Foundation fördert neues Projekt Decoding Antisemitism: Mit künstlicher Intelligenz Online-Hass stoppen


Berlin, 21. September 2020 – Wie lassen sich Antisemitismus und Rassismus im Netz besser aufspüren und eindämmen? Mit dem Projekt „Decoding Antisemitism“, das von der Alfred Landecker Foundation mit drei Millionen Euro gefördert wird, setzen Forscher künstliche Intelligenz ein, um die Verbreitung von Antisemitismus im Netz zu messen und zu bekämpfen.

Die Stiftung arbeitet dabei mit dem Zentrum für Antisemitismusforschung der Technischen Universität Berlin, dem King’s College London und anderen namhaften wissenschaftlichen Institutionen in Europa und Israel zusammen.

Das internationale Forscherteam besteht aus Experten für Diskursanalyse, Computerlinguistik und Historiker. Gemeinsam werden sie einen KI-gesteuerten Ansatz entwickeln, um impliziten Hass schneller erkennen zu können. Einmalig an diesem Projekt ist nicht nur der interdisziplinäre Ansatz, sondern vor allem auch der Gegenstand der Analyse selbst. Bisher hat sich noch keine Untersuchung darauf konzentriert, versteckten und codierten Hass gegen Juden zu identifizieren. Dabei geht aus Studien eindeutig hervor, dass antisemitische Diffamierungen mehrheitlich implizit zum Ausdruck gebracht werden – beispielsweise durch die Verwendung von Codes (etwa “juice” (Englisch für Saft), statt “Jews” (Englisch für Juden)). Weitere implizite Formen umfassen die Andeutung gewisser Verschwörungsmythen oder die Reproduktion von Stereotypen, insbesondere in Bildern, Karikaturen oder Memes. Computer werden die Forscher dabei unterstützen, die unfassbar große Menge an Daten- und Bildmaterial zu sichten, die menschliche Analysten nicht verarbeiten könnten. Auf diese Weise wird die Kombination aus qualitativem und KI-gesteuertem Ansatz eine weitaus umfassendere Analyse erlauben.

Impliziter Antisemitismus ist nicht nur schwerer zu entdecken, sondern auch schwieriger zu ahnden. Die Erfahrung zeigt, das Social-Media-Unternehmen, die sich ohnehin in der Vergangenheit nicht damit hervorgetan haben, Hetze auf ihren Plattformen einzuschränken, wenig Bereitschaft zeigen, gegen impliziten Judenhass vorzugehen. Weil sie keine Folgen fürchten müssen, werden so Userinnen und User darin bestärkt, ihre hasserfüllten Botschaften weiterzuverbreiten und zu teilen. Rund um die Corona-Pandemie finden außerdem Verschwörungsmythen extremen Zulauf, die behaupten, Juden seien für das Virus verantwortlich oder wollten an der Impfung dagegen verdienen.

Die Alfred Landecker Foundation möchte dazu beitragen, einen öffentlichen Diskurs zu stärken, der nicht von den hasserfüllten Stimmen dominiert wird. Ein Ziel dieses Projekts ist es, ein Open-Source-Tool zu entwickeln, das Akteuren aus der Zivilgesellschaft zur Verfügung gestellt werden kann, um die Debatten in deren Foren zu moderieren. Es geht dabei explizit nicht darum, einen Zensuralgorithmus zu erschaffen, sondern darum, die Meinungsfreiheit zu stärken. Wenn sich die moderaten Stimmen zunehmend aus der öffentlichen Debatte verabschieden, weil Antisemiten und Rassisten die Diskussionen vergiften, schadet das dem freien Austausch unterschiedlicher Meinungen und damit der Demokratie.

Dr. Andreas Eberhardt, CEO der Alfred Landecker Foundation: „Antisemitismus und minderheitenfeindlicher Hass gefährden die Zukunft unserer offenen Gesellschaft. Und das Problem wird durch die Digitalisierung verschärft. Es ist unerlässlich, dass wir innovative Ansätze aufgreifen – etwa den Einsatz von Künstlicher Intelligenz –, um diesen Herausforderungen offensiv zu begegnen. Die Alfred Landecker Foundation geht Partnerschaften mit Organisationen ein, die unsere Werte teilen, mit dem Ziel, eine Zukunft aufzubauen, in der Minderheiten geschützt sind.“

Dr. Matthias J. Becker, Linguist und Projektleiter von „Decoding Antisemitism“ an der Technischen Universität Berlin: „Es zeigt sich, dass Online-Hetze und Hassverbrechen in der analogen Welt meist miteinander in Verbindung stehen. Um zu verhindern, dass immer mehr Userinnen und User im Netz radikalisiert werden, ist es wichtig, das wirkliche Ausmaß von antisemitischem Hass genau zu bestimmen – und dabei auch die impliziten Formen zu berücksichtigen, die im Laufe der Zeit expliziter werden könnten.“

Dr. Daniel Allington, Senior Lecturer am King’s College in London in der Fakultät für Digitale Geisteswissenschaften: „Internetfirmen unternehmen nicht genug, um die Welle aus Online-Hetze zu stoppen. Die Aufgabe ist schwierig, weil Hass häufig in subtiler Weise zum Ausdruck gebracht wird und ständig die Erscheinungsform wechselt. Künstliche Intelligenz kann uns Menschen bei der Analyse von Inhalten unterstützen, die möglicherweise hasserfüllt sind und darum gelöscht werden müssen. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit allen, die an diesem Projekt beteiligt sind, und danken der Alfred Landecker Foundation für ihre Unterstützung – nur durch Partnerschaften wie diese können wir dazu beitragen, auch in den Echokammern des Internets Fortschritte beim Schutz von Minderheiten zu erzielen.“

Das Projekt wird sich zunächst auf Deutschland, Frankreich und das Vereinigte Königreich konzentrieren und in einer späteren Phase auf weitere Länder und Sprachen ausgeweitet.

Unsere Themen

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