
Anna Danilina ist eine interdisziplinär arbeitende Historikerin am Zentrum für Antisemitismusforschung der Technischen Universität Berlin. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Rassismus- und Antisemitismusforschung, Körpergeschichte und Affekttheorie, Verflechtungs- und Kolonialgeschichte sowie Wissenschafts- und Medizingeschichte. Thematisch befasst sie sich mit der Kritik unterschiedlicher Formen sozialer Exklusion und (rechter) Gewalt.
Anna Danilina studierte Psychologie, Religionswissenschaften, Philosophie und Politikwissenschaften in Leipzig, Göttingen und an der UC Berkeley. Während ihres Studiums war sie außerdem am Frankfurter Institut für Sozialwissenschaft tätig. Ihre Magisterarbeit schrieb sie über Theodor W. Adornos Ästhetische Theorie als Kritik.
Sie promovierte in Geschichtswissenschaften am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin und war in dieser Zeit Visiting Scholar in Anthropologie an der New School for Social Research in New York. Ihre Dissertation über eine Emotions- und Körpergeschichte von Rasse, Rassismus und Antisemitismus in der völkischen Bewegung, die sie mit Summa cum laude verteidigte, erscheint 2023 im Wallstein Verlag.
Anna Danilina erhielt Förderungen von der Friedrich-Ebert-Stiftung, der Stiftung Zeitlehren, der FAZIT-Stiftung, dem German Historical Institute Washington und der Max-Planck-Gesellschaft. Sie publizierte zu Kritischer Theorie, Antisemitismus, Rassismus und Rasse, zu Medizingeschichte und sozialer Exklusion.
Somatische Erinnerung an historische Gewalt. Transgenerationale Epigenetik von Trauma – die Shoah, Antisemitismus und Rassismus
Der Körper erinnert sich an die Geschichte von Gewalt, Rassismus und Antisemitismus, selbst wenn unser Bewusstsein diese Erfahrungen vergessen oder verdrängt haben mag. So kann der Körper als historisches Archiv verstanden werden, das von vergangenen Verletzungen und daraus abgeleiteten, gegenwärtigen Formen der Ungerechtigkeit zeugt.
Doch wie ist die Erinnerung und Sprache des Körpers zu entschlüsseln? Um zu lernen, das somatische Gedächtnis in den Sozialwissenschaften zu interpretieren, müssen wir uns an die Medizin und die Neurowissenschaften wenden. Die Forschung über transgenerationale epigenetische Auswirkungen von Traumata liefert differenzierte Darstellungen dessen, wie sich historische Gewalt in somatische Signaturen übersetzt und wie traumatische Ereignisse die genetischen Transkriptionsmechanismen über Generationen hinweg verändern können.
Anna Danilinas Forschungsprojekt zielt darauf ab, die Epigenetik des Traumas als eine Geschichte des Körpers zu lesen und biomedizinische Studien für neue Konzepte und Methoden zur Erforschung eines Körpergedächtnisses in den Sozialwissenschaften zu nutzen. Umgekehrt analysiert sie, wie die medizinische Forschung soziale und politische Debatten über die Beziehung zwischen Rassismus und Antisemitismus, Holocaust, Genozid und Kolonialismus beeinflusst. Schließlich untersucht das Projekt die Potenziale und Fallstricke bei der Nutzung genetischer Wissensbestände für die Erforschung von Rassismus und Antisemitismus.
Zu diesem Zweck gliedert sich das Projekt in vier aufeinander aufbauende Untersuchungsstränge: Es kombiniert
1) eine Wissenschaftsgeschichte der Eugenik, Genetik und Epigenetik;
2) eine historische Diskursanalyse, die untersucht, wie verschiedene Betroffenengruppen die Forschung transgenerationaler Epigenetik nutzen und damit historische Gewalt durch Antisemitismus und durch Rassismus in Beziehung setzen;
3) einen medizin-anthropologischen Ansatz, der epigenetische Mechanismen als somatisches Gedächtnis differenziert und interpretiert; und
4) eine theoriepolitische sowie selbstkritische Bewertung physiologischer Ansätze zu Rasse, Rassismus und Antisemitismus.