Als der französische Journalist und Dokumentarfilmer Claude Lanzmann im April 1985 seinen Film „Shoah” in Paris vorstellte, läutete er damit einen Wendepunkt in der Wahrnehmung des Holocaust ein. Es handelte sich um die erste Sammlung von Zeitzeugenberichten. Lanzmann und seine Mitarbeiterinnen Corinna Coulmas und Irena Steinfeldt-Levy hatten in den 1970er- und 1980er-Jahren mit zahlreichen Überlebenden, Täterinnen und Tätern sowie Dritten gesprochen. Für Lanzmann war diese Arbeit eine Lebensaufgabe.
Anlässlich seines 100. Geburtstags zeigt das Jüdische Museum Berlin ab dem 28. November die Ausstellung „Claude Lanzmann. Die Aufzeichnungen“. Die Ausstellung macht das umfangreiche Audio-Archiv des Dokumentarfilmers mit rund 220 Stunden bisher unveröffentlichter Tonaufnahmen aus der mehrjährigen Recherchephase von „Shoah” erstmals öffentlich zugänglich. Bis zum 12. April 2026 haben Besucherinnen und Besucher die Möglichkeit, Einblicke in die Entstehungsgeschichte des Films zu gewinnen.
Geschichte hörbar machen
Anhand ausgewählter Originalaufnahmen können Interessierte den Recherchen Lanzmanns und seiner Mitarbeiterinnen folgen. Sie erfahren, wie sich die Menschen in den 1970er-Jahren an die Shoah erinnerten und wie sie versuchten, ihre Erfahrungen zu erklären und zu bewältigen. In sechs verschiedenen Hörbereichen werden unter anderem folgende Themen beleuchtet: Lanzmanns Methodik und Erfahrungen beim Führen der Gespräche, sein erster Besuch der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau, die Auseinandersetzung der Täterinnen und Täter mit ihren Verbrechen sowie der Holocaust in Litauen.
Die Besucherinnen und Besucher können sich mit Kopfhörern frei durch den Raum bewegen und auf Monitoren die Übersetzung der in verschiedenen Sprachen geführten Gespräche verfolgen. Originaldokumente aus dem Privatarchiv von Claude Lanzmann, ein Videointerview mit seinen Mitarbeiterinnen sowie weitere Dokumente und Filmaufnahmen helfen dabei, die Aufnahmen einzuordnen.
- Laufzeit: 28. November 2025 bis 12. April 2026
- Ort: Jüdisches Museum Berlin, Eric F. Ross Galerie
- Eintritt: kostenfrei
- Öffnungszeiten: Täglich von 10 bis 18 Uhr
Mehr Informationen zur Ausstellung gibt es auf der Website des Jüdischen Museum Berlin.
Das Claude Lanzmann Audio-Archiv
In den Jahren 2021 und 2022 erhielt das Jüdische Museum Berlin insgesamt 152 Magnettonkassetten von der Association Claude et Félix Lanzmann (A.C.F.L.), die durch die Witwe des französischen Dokumentarfilmers, Dominique Lanzmann, vertreten wird. Neben Interviews mit Überlebenden und Täterinnen und Tätern sind Gespräche mit Schriftstellerinnen und Schriftstellern, Widerstandskämpferinnen und -kämpfern, Geistlichen, Intellektuellen, Politikerinnen und Politikern, deutschen Unternehmerinnen und Unternehmern, Historikerinnen und Historikern zu hören. Seit 2023 zählt das Archiv zusammen mit dem Film „Shoah“ zum UNESCO-Weltdokumentenerbe.
Nach Erhalt hat das Museum in Zusammenarbeit mit dem Selma Stern Zentrum für Jüdische Studien Berlin-Brandenburg (SSZ) und dem Center für Digitale Systeme der Freien Universität Berlin (CeDiS) damit begonnen, die Tonaufnahmen zu digitalisieren. Die Alfred Landecker Foundation und das Auswärtige Amt fördern das Projekt.
Mehr Informationen zum Claude Lanzmann Audio Archiv gibt es hier.