Blind Spot
Die Erinnerung an den Holocaust in der Ukraine in der deutsch-jüdischen Erinnerungskultur


In den Debatten um den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine hat sich einmal mehr gezeigt, dass Osteuropa auf der Landkarte der deutschen Erinnerungskultur ein blinder Fleck ist. Dies überrascht umso mehr, als die Mehrheit der in Deutschland lebenden Jüdinnen und Juden aus der ehemaligen Sowjetunion und deren Nachfolgestaaten stammt und wiederum rund 45 Prozent davon ihre Wurzeln in der Ukraine haben.

Das Projekt wählt seinen Ausgangspunkt in der doppelten Erfahrung der ukrainischen Jüdinnen und Juden, die mit einer staatlichen Erinnerungspolitik in der Sowjetunion, aber auch in der Ukraine leben mussten, in der jüdische und andere Opfergruppen aus dem offiziellen Gedenken weitgehend ausgeschlossen blieben und nach der Einwanderung nach Deutschland mit den Lücken im hiesigen Gedächtnis konfrontiert waren. Es erforscht in einer transgenerationellen Perspektive die verdeckten jüdischen Erinnerungsspuren sowie deren Muster und Praxen der Weitergabe und fragt danach, welche anderen jüdischen Erfahrungen des Holocaust, welche Orte, Ereignisse, Daten in dieser bislang marginalisierten Erinnerung von Bedeutung sind und was daraus für die Pluralisierung des Gedenkens folgt.

Anhöhe bei Misotsch (Мізоч), Ukraine. Hier wurden am 13. bis 14. Oktober 1942 mehr als 1.500 Jüdinnen und Juden von Angehörigen der Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD erschossen. Fotografie: Alexandra Klei, 1. Oktober 2018. Alle Rechte vorbehalten

Ziel des geplanten Forschungs- und Vermittlungsprojekts ist es, im Rahmen eines Interviewprojekts mit jüdischen Familien verschiedener Generationen, die Pluralisierung der Erinnerungen an den Holocaust und den Zweiten Weltkrieg um die Perspektive der nach Deutschland eingewanderten ukrainischen Jüdinnen und Juden zu erweitern. Die Ergebnisse der Forschung sollen in einer niedrigschwelligen und multimedialen Präsentation für die breite Öffentlichkeit sichtbar gemacht werden, und damit einen Beitrag zu einer vielfältigen Perspektive auf die Erinnerungskultur in der hiesigen Migrationsgesellschaft leisten.

Eingang zu einer Gedenkanlage für mehrere tausend, von den Deutschen ermordete Jüdinnen und Juden in Chmelnyzkyj (Хмельницький), Ukraine. Auf dem Areal befinden sich unter anderem mehrere Massengräber. Fotografie: Alexandra Klei, 2. Oktober 2018.

Das Institut für die Geschichte der deutschen Juden (IGdJ) war die erste wissenschaftliche Einrichtung in der Bundesrepublik zur Erforschung der deutsch-jüdischen Geschichte. Als interdisziplinäre Forschungseinrichtung widmet sich das Haus der jüdischen Geschichte bis in die Gegenwart, aktuellen Fragen des Erinnerns und Gedenkens sowie der Arbeit mit neuen Medien und digitalen Techniken. Mit der Entwicklung innovativer Vermittlungsformate leistet das IGdJ zudem einen wichtigen Wissenstransfer in die breite zivilgesellschaftliche Öffentlichkeit.

Dr. Karen Körber leitet den Forschungsbereich Jüdische Gegenwartsforschung am Institut für die Geschichte der deutschen Juden (IGdJ) und hat die Forschungsleitung des von der Alfred Landecker Foundation geförderten Forschungs- und Vermittlungsprojekts Blind Spot – Die Erinnerung an den Holocaust in der Ukraine in der deutsch-jüdischen Erinnerungskultur inne. Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen im Projekt sind Dr. Alexandra Klei und Sofya Chernykh.

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