Decoding Antisemitism

Digitalen Hass mit Künstlicher Intelligenz bekämpfen


Halle, Hanau, Christchurch: Diese Städte sind zum Synonym geworden für tödliche Anschläge auf Minderheiten. Ihnen allen ist gemeinsam, dass sich die Täter zuvor im auf Internetplattformen radikalisiert haben, auf denen die Mitglieder ungestört zu Hass gegen Juden und Minderheiten anstiften konnten.

Antisemitismus - und Hass im Allgemeinen - wird im Netz immer offener und unverhohlener zum Ausdruck gebracht. Im Internet können Menschen Minderheiten beschimpfen und bedrohen und müssen dafür kaum Konsequenzen befürchten. Erschwerend kommt hinzu, dass der Hass online innerhalb von Sekunden geteilt und verbreitet wird, und so die Gefahr zunimmt, dass weitere Menschen sich radikalisieren.

Aus diesem Grund hat die Alfred Landecker Foundation, zusammen mit dem Zentrum für Antisemitismusforschung der Technischen Universität Berlin, dem King‘s College London und anderen renommierten Wissenschaftseinrichtungen in Europa, das dreijährige Projekt „Decoding Antisemitism“ entwickelt. Es wird mit rund drei Millionen Euro gefördert und ist zunächst auf Deutschland, Frankreich und Großbritannien angelegt. Geplant ist jedoch, dass die Untersuchung auf weitere Länder und Sprachgemeinschaften ausgedehnt wird.

Computer werden dem Forscherteam dabei helfen, impliziten Antisemitismus zu entdecken

Der Kampf gegen Antisemitismus im Internet

Studien haben gezeigt, dass die Mehrzahl der antisemitischen Verunglimpfungen auf eine versteckte Art und Weise zum Ausdruck gebracht werden. Dies geschieht durch die Verwendung von Codes (wie beispielsweise das englische Wort „Juice“ (Saft), anstelle des gleichklingenden Wortes „Jews“ – (Juden), von Anspielungen auf bestimmte Verschwörungsmythen oder die Wiedergabe von Stereotypen, insbesondere auch mittels Bildern.

Indirekter Antisemitismus ist nicht nur viel schwerer zu greifen, sondern auch sehr viel schwieriger zu ahnden. Das ist ein Grund, warum die meisten Verunglimpfungen von Jüdinnen und Juden nicht bestraft werden – und warum zunächst das wahre Ausmaß des Problems aufgedeckt werden muss.

Da herkömmliche Programme für das Aufspüren von Antisemitismus im Netz die häufigste Form – die indirekte Diffamierung – nicht erkennen, muss ein anderer Ansatz gefunden werden. Ein Ansatz, bei dem impliziter Hass, Kontextinformationen und kulturelle Normen berücksichtigt werden.

Um indirekten Hass schneller erkennen und bekämpfen zu können, wird ein internationales Team aus Diskurs-Analytikeren, Computerlinguisten und Historikern ein hochkomplexes, durch Künstliche Intelligenz (KI) gestütztes Programm entwickeln. Die Computer werden mit den Ergebnissen einer qualitativen linguistischen und visuellen Inhaltsanalyse „gefüttert“ und nutzen diese, um Algorithmen zu trainieren. Eines der Ziele ist es, am Ende der Pilotphase ein Open-Source-Instrument zu entwickeln, das Webseiten und Profile in sozialen Medien nach implizitem Antisemitismus durchsuchen kann.

Die interdisziplinäre Zusammenarbeit der verschiedenen, am Projekt beteiligten Forschungsgebiete ist einzigartig. Zum ersten Mal werden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dem Umstand Rechnung tragen, dass die Mehrheit der antisemitischen Diffamierungen implizit erfolgt – sei es, weil User rechtliche Konsequenzen fürchten, weil sie sich dessen nicht bewusst sind oder weil sie ihr Selbstbild in der Überzeugung aufrechterhalten wollen, sie seien keine Antisemiten, sondern würden einfach eine vermeintlich unterdrückte Wahrheit enthüllen.

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