In den Ghettos und Lagern der "Aktion Reinhardt" wurden mindestens 1,8 Millionen Juden ermordet. Die meisten in den deutschen Vernichtungslagern in Bełżec, Sobibór und Treblinka. Trotz ihrer zentralen Bedeutung für die systematische Vernichtung der europäischen Juden sind diese historischen Orte in der öffentlichen Wahrnehmung jedoch kaum bekannt.
Die kuratierten Bildungsreisen zu den historischen Orten der „Aktion Reinhardt“ richten sich insbesondere an Mitarbeitende des Deutschen Bundestages sowie an leitende Angestellte von Bundesministerien. Als Unterstützerinnen und Unterstützer der höchsten demokratischen Institutionen Deutschlands tragen die Teilnehmenden eine besondere Verantwortung: Sie stellen sicher, dass demokratische Institutionen auf einem festen Fundament historischer Wahrheiten stehen – insbesondere in einer Zeit zunehmender Geschichtsverzerrung und steigender antisemitischer Vorfälle. Ziel der Reisen ist es daher, das Wissen über den Holocaust über den weithin bekannten Rahmen von Auschwitz hinaus zu erweitern.
Während der viertägigen Reisen besuchen die Teilnehmenden Lublin, das Verwaltungszentrum der "Aktion Reinhardt", die ehemaligen Ghettos Izbica und Włodawa, die Gedenkstätten der deutschen Vernichtungslager in Bełżec und Sobibór sowie den früheren Konzentrations- und Vernichtungskomplex Majdanek. Vorträge zur Geschichte, Diskussionen vor Ort und Reflexionsrunden vertiefen das Verständnis dafür, wie Bürokratie, Logistik und gesellschaftliche Gleichgültigkeit den Völkermord ermöglichten – und welche Rolle Verwaltung, Polizei, Justiz und Wirtschaft dabei spielten. Das Lernen an authentischen Orten macht diese Mechanismen in einer Klarheit sichtbar, die keine klassische Lernumgebung bieten kann. Für Beamtinnen und Beamte sowie Parlamentsmitarbeitende bildet dieses Wissen heute eine wesentliche Grundlage für verantwortungsvolle Entscheidungsfindungen.
Die Bildungsreisen werden von der Organisation What Matters durchgeführt, deren Historikerinnen und Historiker über umfassende Expertise in der Holocaust-Bildung verfügen. Gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern des WJC sowie der Alfred Landecker Foundation führen sie die Teilnehmenden durch die einzelnen Stätten, vermitteln historische Grundlagen und Hintergründe und geben Raum für vertiefende Reflexion.
Ronald S. Lauder, Präsident des Jüdischen Weltkongresses, sagt:
„Die Aktion Reinhardt bleibt eines der verheerendsten und am wenigsten verstandenen Kapitel des Holocaust. Millionen Menschen wurden an Orten ermordet, die der Allgemeinheit kaum bekannt sind – in Lagern, die ausschließlich zum Zweck der sofortigen Vernichtung errichtet wurden. Indem wir hochrangige deutsche Parlaments- und Regierungsmitarbeitende an diese Orte bringen, stellen wir die historische Wahrheit wieder her, bekämpfen Geschichtsverzerrung und sorgen dafür, dass die Menschen, die heute demokratische Gesellschaften gestalten, genau verstehen, wie schnell Hass zu Politik und Gleichgültigkeit zu Mittäterschaft werden kann. Diese Geschichte darf niemals vergessen werden.“
Durch die Verbindung der globalen Expertise des Jüdischen Weltkongresses in der Holocaust-Bildung und Diplomatie mit dem Fokus der Alfred Landecker Foundation auf die Weiterentwicklung der Erinnerungskultur und die Stärkung demokratischer Resilienz vereint das Programm komplementäre Stärken, die gerade jetzt unverzichtbar sind. Das Verständnis darüber, wie staatliche Strukturen für Ausgrenzung und Gewalt mobilisiert wurden, trägt dazu bei, demokratische Institutionen gegen zeitgenössischen Antisemitismus und verschwörungsideologische Narrative zu schützen.
Lena Altman, Co-CEO der Alfred Landecker Foundation, sagt:
„Beim Besuch dieser Orte erhalten die Teilnehmenden Einblick in historische Dimensionen, die kein Dokument allein vermitteln kann. Die 'Aktion Reinhardt' war ein zentral organisiertes Programm, das ein eng koordiniertes Netzwerk aus Ghettos, Transporten und Vernichtungslagern nutzte, um fast zwei Millionen Juden zu ermorden. Das Verständnis dieser systematischen Maschinerie – und der Rolle, die Verwaltungsstrukturen dabei spielten – trägt dazu bei, eine Kultur des Gedenkens und der Verantwortung innerhalb heutiger demokratischer Institutionen zu stärken."
Alfred Landecker, der Namensgeber der Stiftung, wurde 1942 von Mannheim nach Izbica deportiert. Izbica diente den Nationalsozialisten als Transitghetto, eine Art Wartesaal des Todes, von dort aus transportierten sie die Gefangenen während der "Aktion Reinhardt" in die Vernichtungslager Sobibor, Belzec oder Treblinka. Wo genau in diesem System aus Deportation und Massenmord Alfred Landecker ums Leben kam, lässt sich nicht mit Gewissheit sagen.