Der Holocaust auf Tonband
Aufnahmen von Gerichtsprozessen zur „Aktion Reinhardt“ in West- und Ostdeutschland


Tonbänder aus Prozessen wegen nationalsozialistischer Gewaltverbrechen (NSG) sind, wie die Aufnahmen des Auschwitz-Prozesses eindrücklich belegen, eine wichtige historische Quelle, die jedoch bisher wenig Beachtung gefunden hat. Sie bieten vielfältige Zugänge zur wissenschaftlichen Aufarbeitung der Massenmorde und des Umgangs der beiden deutschen Staaten mit der NS-Vergangenheit nach 1945.

Mit dem Fokus auf den Tonbändern wird in der geplanten empirischen Studie der Umgang mit dem Holocaust in ausgewählten west- und ostdeutschen Gerichtsverhandlungen zur „Aktion Reinhardt“ in der Zeitspanne von 1968 bis 1986 analysiert. In den „fast vergessenen“ Vernichtungslagern im besetzten Polen, Belzec, Sobibor und Treblinka, wurden von 1942 bis 1943 mehr als 1,6 Millionen Juden in Gaskammern ermordet. Hunderttausende weitere wurden während der Deportationen und Ghettoauflösungen erschossen.

Im Mittelpunkt der Studie stehen westdeutsche Tonbänder aus Verhandlungen zu Sobibor sowie zu den Deportationen aus Stanislau nach Belzec sowie aus Kielce und Tomaszów Mazowiecki nach Treblinka. Die Prozesse fanden zwischen 1966 und 1984 in Hagen, Münster, Frankfurt am Main und Darmstadt statt. Analysiert werden auch sieben ostdeutsche NSG-Verfahren aus den Jahren 1968 bis 1986 vor Gerichten in Berlin, Erfurt, Potsdam und Karl-Marx-Stadt (Chemnitz). Sie betreffen die Gettos und Arbeitslager sowie die Deportation der Juden aus Rzeszów, Przemyśl und Kraśnik nach Belzec sowie aus Warschau und Siedlce nach Treblinka.

Die Studie untersucht die Erzählnarrative von Tätern und Opferzeugen, die Interaktionen und Gefühlsausdrücke der Prozessbeteiligten sowie die Dynamiken und die Atmosphäre des Prozessgeschehens.

Der Sobibor-Überlebende Thomas Blatt und der Angeklagte Frenzel

Das Fritz Bauer Institut in Frankfurt am Main ist eine unabhängige, zeitgeschichtlich ausgerichtete und interdisziplinär orientierte Forschungs- und Bildungseinrichtung. Es untersucht und dokumentiert die Geschichte der nationalsozialistischen Massenverbrechen – insbesondere des Holocaust – und deren Wirkung bis in die Gegenwart.
Dr. Sara Berger ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fritz Bauer Institut und arbeitet an dem von der Alfred Landecker Foundation geförderten Forschungsprojekt: Der Holocaust auf Tonband. Aufnahmen von Gerichtsprozessen zur „Aktion Reinhardt“ in West- und Ostdeutschland.

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